in Ruhe sein
Wollt herausfinden, warum ich auf einmal frei bin. So richtig frei, nicht nur vogelfrei, nein, freifrei. Derweil ist das gar nicht relevant.
Meine Befreiung ist meine Sache, keine Blaupause für andere Menschen. Das muss und kann eh nur jeder für sich selbst regeln. Klar. Dass Bücher geholfen haben, Ansprache, Menschen, Begegnungen, virtuell und echt, die Natur, der Sport, das Aufräumen & Putzen, das bekennen und weitermachen - okay. Nur DAS Buch, DIE Begegnung, DER Mensch, das eine, am Ende einer langen Liste an verzehrten Buchstabenfolgen, ersehnten Treffen, gemeinsamen Minuten oder Stunden, das, oder die dabei waren, als ich mich befreite, ist ja nicht DAS BUCH, DER MENSCH, DIE ZEIT, dass also jeden zweiten, nächsten Menschen auch befreien könnte. Warum also forschen?
Rückschau wofür?
Vielleicht, um sicher zu gehen, keine Fehler zu machen, in weiterer Folge. Was wiederum crazy ist, denn natürlich mache ich Fehler, jeden einzelnen Tag, immer wieder, und lerne aus diesen Fehlern, oder nicht, aber wenn es Versicherung hieße, dann müssten wir nicht Leben dazu sagen.
Ich liebe, und lebe.
Was ich eigentlich an erste Stelle schreiben wollte, steht da jetzt erst an vierter, nach dem 'und'. An die zweite Stelle hat sich was geschummelt, das, wie eine Fehlleistung, die nur so gesehen wurde, aber nie eine war, mich antreibt, seit ich denken kann.
Ich liebe.
Früher wollte diese Liebe keiner. Sie wollten meine Anwesenheit, meine Verfügbarkeit zu den ihnen angemessenen Zeiten und Vorstellungen, sie wollten nicht meine Liebe. Was sie wollten, war mein Herz besitzen.
Nur - das kleine Organ da drinnen schlägt wunderbarerweise für die Leisen am Lautesten, für die Stille am Schwersten, für Ruhe und Frieden am Härtesten. Zu besitzen gibt es da nichts, ich brauche niemanden, der mich drückt, bis ich, wie eine leere Zitrone nur mehr als Hülle im Mistkübel lande. Ich kenne wen, der hält die Zunge an eine Zitronenscheibe und lacht. Der ganze Mensch freut sich daran, wie sauer und lustig dieser kurze Moment ist. Der quetscht nicht herum an mir, weil er selbst so frei ist, dass er nicht will, wenn jemand an ihm herum quetscht. Er weiß es. Reagiert allergisch, mit Wut und Verzweiflung, wenn es wer versucht. Und das erinnert mich, wie ich es gehasst habe, ins Korsett gepackt zu werden, die starre Rüstung der Vorstellung Anderer, wie ich zu sein habe.
Dieser freie Mensch, den seh' ich ab und zu, dann freu ich mich wie die Schneekönigin. Weil wir beide frei sind, freut er sich auch, das merke ich.
Seine Freiheit bedeutet mir alles, meine Freiheit ihm. Er ruft mich manchmal durch drei Zimmer, da werde ich wütend, denn dann weiß er gerade doch nicht, wie frei ich bin. Und ab und zu knurre ich ihn an, wenn ich mich sorge, dass es ihm gut geht, dann weiß ich nicht, wie frei er eigentlich ist.
Wir lassen uns in Ruhe. Es gibt Menschen, die das beherrschen, einen anderen sein zu lassen. Dann gibt es Leute, die können das nicht, die haben so eine Not in sich, dass immer was rauscht im Hintergrund, so dass sie einen eingemeinden müssen in die ablenkende Kakophonie, und meine eigene Aufmerksamkeit von ihnen dazu verwendet wird, dieses, ihr eigenes Rauschen noch zu befeuern. Ablenkung, ohne Ende, vom Innersten Kern der Existenz, einfach nicht hören, was der sagen will, dann tut es auch nicht weh. 'Ablenkung, sie gibt mir alles, was ich nicht haben kann, was ich vermisse, nie hatte, was mir so weh tut. Ich will das nicht hören, ich will es nicht spüren. Die Liebe. Die Liebe lost.' So dröhnt es in ihren Ohren, unaufhörlich. Nur, sie hören es nicht, ganz selten nur, in den wenigen Momenten der Einsicht, wenn der Schmerz durch das Gefühl, ihm gewachsen zu sein, kurz schweigt.
Menschen, die alleine sein können, haben das hinter sich. Sie wissen, der Schmerz kommt wieder, ist unausweichlich.
Das ist mein Schlag.
Sie schätzen das, und nutzen, wenn in Gemeinschaft, dennoch nicht den Raum aus, der zwischen uns entsteht, fügen sich in die wellenförmigen Bewegungen der Anwesenden: mal spricht der, dann jener, mal ist einer im Mittelpunkt, mal ein anderer. Sie flüchten nicht in Maskierungen von SuperSPASS oder extremer Trunkenheit diverser Arten, flüchten nicht in Dauerschleifen oder DEN EINEN Trick, sie mäandern zwischen Welt und Ich, Innen und Außen, als wäre es das Natürlichste, das es gibt. Ja, ich habe weitergeschrieben, an meinem Roman. Aber ich möchte Euch das hier noch viel dringender schreiben. Wen in Ruhe lassen zu können obwohl man ihn aus tiefstem Herzen liebt, sich selbst so weit zu erden, dass man nichts von niemandem braucht, sich bloß ein bisschen sehr aufgeregt vor-freut, wenn man weiß, man sieht den geliebten Menschen wieder, um dann zu geniessen, was ist - das ist große Kunst. Die man lernen kann, die es lohnt, sich zu erarbeiten.