Dazwischen
Sonntag, 8. September 2024

Tractatus Motus

200 Kilometer am Heimtrainer geradelt. Hab den, glaub ich, vor 3 Wochen gekauft. Müsste nachschauen, aber sehr viel länger kann es nicht her sein. Nach jedem 20 - 45 Minuten Training mach ich noch einige Minuten Krafttraining mit Hanteln und Sit-Ups, Dehnungsübungen und nach unten schauendem Hund. Das ist echt nicht viel, vielleicht deswegen habe ich es jetzt fast jeden Tag durchgezogen, seit ich das Ding besitze. Nach 100km hat sich ein Pedal vom Tretmann abgeschraubt, das hatte ich wohl nicht fest genug angezogen gehabt, sonst geht er super. Dem O gefällt der Name, weil einer seiner Lieblingskünstler so ähnlich heißt, man kann es einklappen, ich hab einen guten Platz dafür gefunden, muss weder mein Klavier noch mein echtes Fahrrad loswerden.

Dieses Trainingsgerät hat mich allerdings bereits verändert. Ich bin kräftiger geworden, mein sehr dicker Bauch ist flacher und meine Laune bedeutend besser geworden. Also, gut gelaunt bin ich eh immer, in der Früh. Nur, wenn ich dann die Tage so hinter mich gebracht habe, ist Abends oft der Ofen aus. Dann grantle ich herum, schimpfe, bin schlecht gelaunt und unleidlich.

Gewesen! Jetzt bin ich sogar schon morgens um sechs Uhr sauer. Denn mit jeder Trainings-Einheit steigt mein Selbstbewusstsein, weswegen ich Zumutungen diverser Natur oft schneller erkenne und früher in Bearbeitung gehen kann, ich lasse mir Dinge nicht mehr gefallen, die ich recht lange einfach so hingenommen hatte, weil es auch, und das ist die beste Veränderung dieser sportlichen Betätigung, meinen Arbeitsspeicher frei gibt.

Ich lese, ich verschlinge Bücher wie zu meinen besten Zeiten. Gerade lese ich 4 parallel, das ist erfrischend, nicht verwirrend. Weil ich diesen Platz im Gehirn durch die Bewegung frei machen kann passen neue Informationen hinein, und die Festplatte hat, in meinem Fall, noch viel freie Kapazitäten, um neues Wissen langfristig zu speichern, so es denn von Vorteil ist, das zu tun.

Dass ich meinen Arbeitsspeicher durch Frustration jahrelang blockiert hatte und deswegen seit 2014 wenig Neues dazu gelernt habe, ärgert mich schon, nur nicht so sehr, dass dieser Ärger jetzt die Rechenleistung herabsetzen würde, wie vor dem Sport.

Das soll kein Rezept sein, oder eine Anweisung gar, ich erzähle hiermit nur, wie es in meinem Gehirni aussieht. Da spielt sich eine Menge ab, wenn die Strukturen funktionieren. Was sie tun, wen ich den corpore sano bearbeite, dabei Musik höre, oder lese, weil das ist auch eine gute Möglichkeit, beides zu verbinden.

Neueste Lektüre (zur Hälfte rum, deswegen mit Fug und Recht zu empfehlen) 'Emotional unreife Eltern' von Lindsay C. Gibson - ein gutes Buch, das Einiges aus den Themenbereichen Psychoanalyse, Gestalt-Therapie, Bindungs-Theorie und transgenerationaler-Traumata-Erforschung zusammenfasst, mit dem ich mich beschäftigt habe, in den letzten Jahren.

Es ist sachlich geschrieben, mit einigen Erfahrungsberichten, die ich in Büchern weniger gerne lesen mag, die den Fluss jedoch nicht allzu stören, in diesem Falle.

Ich kann mir sehr viel rausnehmen, auch in meinem Verhalten dem Kind gegenüber. Hier geht es nicht darum, Schuldige zu finden oder gar zu benennen, ich stolpere nur oft über meine mangelnde Fähigkeit, anderen Leuten Grenzen zu setzen, und mich auf meine Bedürfnisse zu fokussieren in Situationen, die, wie im Flugzeug, das trudelt, ein rasches Handeln erfordern; wo man zuerst sich die Maske aufsetzen sollte, um dem Umfeld sodann zu Hilfe eilen zu können.

Das Helfersyndrom, das ich oft an den Tag legte, setzt erst allen anderen die Masken auf, um dann langsam zu ersticken, in der Hoffnung, jemand würde sich im letzten Moment einer selbst erbarmen. Geschieht so gut wie nie, sei's drum. Durch die Beschäftigung mit 'siehe oben' hab ich sowieso Münchhausen'sche Strategien en masse, nur hab ich Verantwortung für einen achtjährigen, der eine Mutter, die living on the emotional Edge praktiziert, echt nicht brauchen kann. Das ist mir lange klar, ich habe seit vielen Jahren auch dagegen angekämpft, dass es schlussendlich Sport war, der da zum Durchbruch verholfen hat, ist schon irgendwie ironisch, da A immer gesagt hat, Jahr um Jahr 'Du musst Dich auspowern!' Und ich geschimpft, ich hätte keine Zeit. Er war immer gegen einen Hometrainer, aus Platzgründen, nur da ich eben nicht komplett untätig war in meiner emotionalen Reifung, hab ich den jetzt gegen seinen Willen einfach gekauft, siehe das erstarkende Selfcare-Bewusstsein von weiter oben, und jetzt sind wir alle zusammen ein Stück glücklicher als vorher.

Dem Kind gefällt eine ausgeglichene Mutter auch gut, er reicht mit Magnesium und Wasser, ist stolz auf mich, wobei das nicht heißen soll, dass ich früher emotional sehr instabil war, seit der Schwangerschaft mit ihm bin ich, im Großen und Ganzen, die glücklichste Frau der Erde. Sieht man vom einen oder anderen Knatsch mit der Beziehung, den Träumen, der Arbeit, der Familie, den Freunden und der allgemeinen Weltlage ab.

Jetzt ist es halt noch besser. Von Perfekt eh weit entfernt, gut genug, würd ich meinen, reicht für dieses Leben, diesen Rucksack, the burden of my memory, allemal aus.

Und meinen Arbeitsspeicher mach ich so oft frei, wie es geht, weil es muss viel mehr Wissen in mich rein, die Liebe und das Können sind nix, das vom Himmel fällt, jeden Tag sich zu bemühen, ein Plan, ein Guter.

Salü!

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